13. Mai bis 25. Juni 2017
Im Skulpturengarten Werke von
Paul Böckelmann, E.R.N.A., Bernhard Männel, Miguel Sanoja
Marion und Uwe Hempel, Konstanze Feindt Eißner
Seit mehr als einem halben Jahrhundert ist die Druckgraphik aus ihrem Platz am Rande der großen Künste in immer stärkerer Selbständigkeit hervorgetreten und hat eine führende Rolle in der Weltkunst eingenommen. Die Ursachen dieser Entwicklung liegen sicher nicht nur in den relativ geringen Kosten, selbst von Meisterwerken, sondern auch in zahlreichen internationalen Ausstellungen und Biennalen, in umfassenden Publikationen und nicht zuletzt in einem weltweit gewachsenen Interesse an technischen Finessen. Hinzu kommt das geschickte Manipulieren der Editionen von Händlern und Verlagen. In dieser durchaus positiven Situation zeichnen sich jedoch, schon seit längerem, schwerwiegende Veränderungen ab. Es besteht ein Überangebot an oft sehr fragwürdigen Machwerken mit so manchem fragwürdigen Trick. Die mangelnde Kritikfähigkeit und die Unsicherheit der Begriffe in großen Teilen des Publikums, könnten das Interesse an Graphik ins Gegenteil verkehren und das Ansehen dieses so vielfältigen und in der Geschichte an Meisterwerken so reichen Kunstzweiges gefährden. In einem solchen Augenblick ist es von enormer Wichtigkeit, sich einen Überblick zu verschaffen, eine klare Stellung zu beziehen, die Distanz der Qualitäten zu sehen. Das ist unser Anliegen.
Man sollte sich aber nicht der trügerischen Illusion hingeben, in dieser Ausstellung sämtliche Aspekte der graphischen Künste erfassen zu können. Es ist schon viel geschehen, wenn ein Beitrag zur Diskussion geleistet wird, wenn versucht wird, den Kreis der Interessierten so weit als möglich zu erfassen. Technisches Vermögen ist zwar eine notwendige Voraussetzung für das Werk eines Künstlers, der sich der Graphic widmet, nicht aber ausreichende Bedingung. Sein Können muss erfüllt sein von einem inneren Vermögen, das erst den Schritt zum künstlerischen Werk vollzieht.
Was also ist Graphik, genauer Druckgraphik?
Es ist die künstlerische, besonders zeichnerische Gestaltung von Flächen, die mit Hilfe bestimmter Verfahren, Abzüge und Vervielfältigungen ermöglichen. Die Vielfalt der heutigen Produktion mit all ihren technischen Varianten hat die Kunst der Graphik, selbst für Fachleute, fast unüberschaubar gemacht. Grob gesagt könnte man von zwei Hauptgruppen sprechen. Es sind die Hochdruckverfahren, bei denen die zu druckenden Teile erhaben sind und die Druckplatte die Farbe direkt auf den Druckträger abgibt, wie der Holz- und Linolschnitt und die Tiefdruckverfahren, wie Radierungen und Kupferstich, bei denen die Druckerfarbe sich nur noch in Vertiefungen der Platte befindet. Hinzu kommt der Flachdruck wie die Lithographie und eine große Anzahl der verschiedensten Verfahren wie die Monotypie oder der Glasklischeedruck und die Fotoradierung. Man sollte sich stets vor Augen halten, dass es, wie bei jedem anderen Kunstwerk, auch bei der Graphik nur ein einziges Qualitätsmerkmal gibt: das der künstlerischen Leistung. Aber über die Frage der künstlerischen Qualität hinaus, gibt es eine Reihe von wertbestimmenden Faktoren, die man bei der Prüfung eines Blattes berücksichtigen sollte. Eine Originalgraphik entsteht eigenständig, unabhängig von Vorlagen und in der Absicht, die Techniken für den künstlerischen Ausdruck zu nutzen. Original bedeutet, dass ein Künstler das Werk eigenhändig geschaffen hat; es ist weder Kopie noch Plagiat, kann aber Replik, d.h. eigenhändige Wiederholung, sein. Wichtig sind die Häufigkeit oder Seltenheit eines Blattes, der Erhaltungszustand und die Druckqualität. Jeder Händler, Sammler oder Käufer sollte von jedem Blatt, dass in seine Hand kommt, genau wissen: wer hat den Entwurf hergestellt, wo und in welcher Auflagenhöhe wurde gedruckt, welche technischen Verfahren wurden verwendet.
Was Graphik zur Zeit ihrer Entstehung, vor etwa sechs Jahrhunderten, exakt bedeutete und zum Ziel hatte, liegt ebenso im Dunkel wie ihre ersten Meister und frühesten Werke. Es ist Albrecht Dürer, der sowohl den Kupferstich als auch den Holzschnitt in eine bisher nicht gekannte künstlerische Kategorie erhob. Nichts hat Dürers Einfluss auf die Kunst seiner Zeit und der folgenden Generationen so sehr wirksam werden lassen wie seine Graphik. Und das war nur möglich durch das Aufstreben der Papierherstellung zu Beginn des 16. Jahrhunderts.
Wir setzen also unseren Feldzug Pro-Papier mit dieser Ausstellung fort und haben 8 Künstler aufgefordert uns dabei zu begleiten.
Die Fähigkeit von Gabriele Reichelt, die Komik einer Situation mit wenigen Strichen zu erfassen, kommt in ihren Holzschnitten besonders gut zu Geltung. Sie strebt immer nach Vereinfachung ohne die kraftvolle Wirkung zu verlieren. Für Frank-Ole Haake ist der Linolschnitt ein immer neues Entdecken. Er lässt sich leiten von seiner Intuition. Beim Schneiden gibt es kein Zurück. Meist beginnt er mit einer durchgehenden Linie, einer Linie wie ein Lebensfaden. Das intensive Spiel Oles mit Form und Farben verlangt bis zu 11 Druckvorgänge. Der Mittelpunkt der Arbeiten von Mechthild Mansel ist der Mensch in seinen Befindlichkeiten, Emotionen, Bewegungen und Tanz. Mechthild hat einen eindrucksvollen Bericht über den Prozess ihrer 2-Farb-Lithographien geschrieben, den wir mit ihren Arbeiten ausstellen werden. Anja Kaufhold und Juan Miguel Restrepo sind die Vertreter von allerneuesten Techniken. Anja hat sich während eines Aufenthaltsstipendiums 2015 in der KKV Grafikwerkstatt in Malmö/Schweden intensiv mit der Collagrafie beschäftigt. In diesem Verfahren werden verschiedene Materialien auf ein starres Substrat aufgetragen, Anja verwendet dicke Pappe. Der Druck erfolgt auf einer Tiefdruckpresse und ihre Auflagen sind auf höchstens 6 Abzüge limitiert. Juan Miguel Restrepo beschäftigt sich mit den Techniken und Themen der Alten Meister, was zwangsläufig zur Folge hat, dass viele seiner Inspirationen der antiken Mythologie und der Bibel entlehnt sind. In einer originellen Technik der Fotoradierung hat er mehrere Serien von Bildern geschaffen, die sich mit Themen wie Glaube, Religion, Menschlichkeit, Grausamkeit und Gewalt auseinandersetzen. Die Arbeiten von Elke Daemmrich sind ausschließlich Ätzradierungen auf Kupfer. Durch meisterlich ausgeführte Strichätzungen entstehen verdichtete Bild-Teppiche von poetischer Empfindsamkeit. Die Ätztechniken in den Tiefdruckverfahren sind sicher die malerischsten unter den unzähligen Möglichkeiten, die sich bieten. Auch Andreas Garn und Christoph Wischniowski scheuen nicht den hohen Arbeitsaufwand des aufwendigen Schleifens und Polierens der Metallplatte, das zeitraubende Erhitzen, Kratzen, Ritzen, Ätzen, mit Säure experimentieren und wieder und wieder polieren. Langsam wächst das Bild: bei Christoph sind es Darstellungen menschlicher Ängste und Begierden, bei Andreas öffnen sich Räume zum Träumen und Meditieren. So verschieden die Arbeiten eines jeden auch sind, eines haben alle gemeinsam: Es sind Leute mit langem Atem.
Jede Mitteilung bedarf des Mittlers und des Mittels: die Sprache des Wortes, die Musik der Töne und bei den graphischen Künsten sind es die technischen Verfahren.
Wir freuen uns auf Ihren Besuch.
Lieselotte Rojas Sanoja