Es sind die großen Entdeckerreisen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die zu den einschneidendsten Ereignissen gehören, die unsere Welt und das Leben in ihr für immer verändern sollten.
In einem unglaublich kurzen Zeitraum von kaum 50 Jahren, findet Vasco da Gama den Seeweg nach Asien. Kolumbus entdeckt in seinem ersten Versuch die besten Routen über den Atlantik, die über Jahrhunderte hinweg, bis zur Entdeckung der Dampfmaschine, unverändert genutzt werden. Cabral landet in Brasilien, Giovanni da Verazzano fährt als erstes „Bleichgesicht“ in die Bucht ein, in der sich heute New York befindet und El Cano und Magallanes können für sich den Ruhm der ersten Weltumsegelung – von Cádiz nach Cádiz – in Anspruch nehmen.
Amerika, der Zwillingskontinent der westlichen Hemisphäre, von der Alten Welt bislang nicht wahrgenommen, übt eine enorme Anziehungskraft aus.
Es ist nicht nur die unersättliche Gier, die blinde und abergläubische Suche nach Schätzen, die die Vertreter aller europäischen Nationen auf See treibt, sondern auch eine tiefe, religiöse Überzeugung, für die sowohl die Katholiken der iberischen Halbinsel als auch die englischen Puritaner bereit sind zu töten und zu sterben. Wie unterschiedlich die Beweggründe auch gewesen sein mögen, sie verursachen alle unermessliche Schäden im Dasein der Urbevölkerungen.
Niemals zuvor jedoch ist in der Weltgeschichte eine Hochkultur so schnell und so gründlich zerstört worden wie das Imperium der Inka. Es sind die Brüder Pizarro, die das „Reich der Sonne“ unterwarfen, mit einer, auch für diese Zeiten ungewöhnlichen, Zerstörungswut und Grausamkeit.
Erschwerend für die Erforschung der präkolumbischen Völker ist die Tatsache, dass sie keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen haben. Dennoch besitzen die wenigen materiellen Überreste dieser Kulturen einen solchen Zauber, dass insbesondere das Inkareich seit Jahrhunderten nichts von seiner Faszination auf die Menschheit eingebüßt hat. Sagenhafte Goldschätze, ein wohlgeordnetes Staatswesen, große Kunstfertigkeit handwerklichen Könnens, enorme Bauwerke, ausgedehnte Straßennetze und Bewässerungssysteme, ein ausgeprägter Totenkult, alles verschmilzt zu einer fremden Wunderwelt.
Es ist den modernen Methoden der Archäologie und der Beharrlichkeit der Forscher zu verdanken, dass in den letzten Jahrzehnten eine Wiederentdeckung der Kulturen vor Kolumbus stattfinden kann – eine friedliche Wiedereroberung.
Die präkolumbischen Hochkulturen Perus umfassen einen Zeitraum von nahezu 3000 Jahren. Noch immer sind viele Aspekte ihrer Geschichte ungelöst, wechseln sich Utopien und Hypothesen rund um die vorspanischen Kulturen Perus mit großer Geschwindigkeit ab. Wie ein roter Faden ziehen sich die Fragen nach der Herkunft dieser alten Völker und den Ursachen ihres häufig abrupten Unterganges durch alle Forschungen. Allen Kulturen ist gemeinsam, dass eine relativ kleine Herrscherelite enorme Machtzentren errichtete und über eine gehorsame Masse von Untertanen regierte. Alle Darstellungen haben einen ausgeprägten Kultcharakter und betonen eine ständige Zweideutigkeit der Personen, mitunter präsentiert in einer konfusen Art für die heutige Mentalität. Anthropomorphe und zoomorphe Mischwesen vorzugsweise aus Raubkatze, Greifvogel und Schlange, finden sich über die Jahrtausende hinweg in fast allen Kulturen.
Immer wieder beeindrucken die große Zahl der Menschenopfer, die auch Kinder und Jugendliche einschließt, oder die komplizierten Trepanationen, chirurgische Schädelöffnungen ausgeführt mit runden Zeremonialmessern aus Obsidian, Kupfer oder Bronze, Tumi genannt, von denen mehrere Exemplare in unserer Ausstellung gezeigt werden können. Eine andere Konstante sind die ständigen erbitterten Kämpfe zwischen den Stämmen, ein Umstand, den sich die Spanier mit großer Geschicklichkeit
zunutze machten.
Der Pflug, das Rad, die Töpferscheibe, sogar eine Schrift waren unbekannt, aber es wurden sehr komplexe Kunstwerke und Bauten geschaffen und Textilien in unglaublich anspruchsvollen Techniken hergestellt. Dank einer Leihgabe der Kunsthandlung Faehte in Berlin können wir einige sehr gute Beispiele dieser Textilkunst präsentieren.
Der grösste Teil unserer Ausstellung ist dem Reich der Inka und ihren Zeitgenossen gewidmet, aber auch von den älteren Kulturen wie Chavín (1500 v.Chr. bis 500 n.Chr.) Vicús (400 v.Chr. bis 500 n.Chr.) oder Moche (200 v.Chr. bis 700 n.Chr.) können wir einige eindrucksvolle Beispiele ihrer enigmatischen Formensprache zeigen.
Es sind die Chimú, die in der Zeit von 1250 und 1460 zum mächtigsten Volk an der peruanischen Küste aufstiegen, ein Staat mit 750.000 Angehörigen und der größten vorspanischen Stadt Chan-Chan mit bis zu 100.000 Einwohnern. Naturalistische Darstellungen von Menschen, Tieren und Früchten überwiegen in den Fundstücken dieser Kultur. Die Chimú unterliegen schliesslich den Inka nach einem langen, erbittert geführten Konflikt.
Als die Spanier 1532 in Peru einfielen, fanden sie das ausgedehnte, blühende Reich der Inka vor, mit einem komplexen Staatswesen und einem hervorragenden Straßensystem; man spricht von einer Länge von 40.000 km.
Cuzco, ihre Hauptstadt, wird von Zeitzeugen mit Rom verglichen. Die Inka, die sich selbst als Söhne der Sonne bezeichneten, herrschten zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert über ein weit umspannendes Reich von über 200 ethnischen Gruppen. Zur Zeit der größten Ausdehnung erstreckte sich sein Einfluss vom heutigen Ecuador bis nach Chile und Argentinien, ein Gebiet, dessen Ausdehnung größer ist als die Entfernung zwischen dem Nordkap und Sizilien.
Zum Zeitpunkt der Ankunft von Pizarro und seinen 159 Gefährten war das Reich in einen erbitterten Bruderkrieg um den Thronanspruch verstrickt, geführt von Atahualpa und Huáscar, den Söhnen des elften Inkaherrschers. Zudem trug die enorme Unzufriedenheit unter den unterworfenen Völkern, verursacht durch die schnelle Expansion der Inka und deren strenges Regime, zu einer weiteren Instabilität des Reiches bei. Atahualpa unterschätzte die von den Spaniern ausgehende Gefahr, vertrauend auf die riesige, zahlenmässige Übermacht seiner Krieger – zu ersten Verhandlungen kam er mit 8000 Mann und 40.000 hatten das Gebiet weiträumig gesichert. Nicht nur, dass sich die Inka durch eine List der Spanier täuschen ließen und ihre Waffen ablegten, sie hatten auch den spanischen Feuerwaffen, Rüstungen und Blankwaffen aus Stahl nur eine früh-bronzezeitliche Bewaffnung entgegenzusetzen und die Pferde und Kampfhunde der Spanier flößten ihnen Furcht ein.
Atahualpa wurde im Juli 1533 von den Spaniern hingerichtet, obwohl sein Volk ein enormes Lösegeld, einen 50 m² grossen Raum gefüllt mit Gold, aufgebracht hatte. Seine Nachfolger, die von dem geheimen Zufluchtsort Vilcabamba im Osthang der Anden eine Art Guerillakrieg gegen die Spanier führten, wurden alle entweder ermordet oder hingerichtet. Am 24. Juli 1572 besetzten die Spanier Vilcabamba und nahmen den Herrscher Túpac Amaru gefangen. Dieser letzte Inka wurde am 24. September 1572 in Cusco enthauptet.
Die Verwüstungen waren so groß, dass in 50 Jahren Kolonialzeit die Ur-Bevölkerung von 14 Millionen auf 1,2 Millionen dezimiert wurde.
Wir betrachten es als einen großen Glücksfall, in der ersten Ausstellung an unserem Dresdner Standort eine so außergewöhnliche Auswahl an „Zeugen“ eines der interessantesten Kapitel der Menschheitsgeschichte präsentieren zu können.
Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
Lieselotte Rojas Sanoja, Dresden,
Oktober 2011