29. März bis 2. Mai 2014
Im Skulpturengarten Werke von
Jutta Albert, Paul Böckelmann, Marion Hempel, Uwe Hempel,
E.R.N.A., Konstanze Feindt Eißner, Miguel Sanoja
„Im Grunde zählt nur die Zeichnung, auch wenn es sich um Malerei und Bildhauerei handelt… Wenn man die Zeichnung beherrscht, wird alles andere möglich.“ Das ist ein Zitat des großen Alberto Giacometti. Und Leonardo da Vinci fügt hinzu: „Die Zeichenkunst besitzt so außerordentliche Eigenschaften, dass sie nicht nur den Werken der Natur nachgeht, sondern unendlich viel mehr hervorbringen kann als die Natur selbst gemacht hat.“
Im Haus unserer Galerie in Caracas funktionierte, über zwei Jahrzehnte hinweg, eine Schule für Zeichnung und Plattengraphik, unter Leitung der bulgarischen Professorin Ina Bainova.
Ina wurde nicht müde immer wieder zu betonen, dass die Zeichnung in der künstlerischen Ausbildung unerlässlich ist, zur Schulung eines aufmerksamen und genauen Sehens. Es ist die erste und unmittelbarste Formung der künstlerischen Absicht und hat, wie jede andere Tätigkeit auch, einen praktischen Fundus und Hintergrund, die es zu beherrschen gilt. Man merkt es einer Arbeit an, wenn diese Voraussetzungen fehlen. Dabei ist es nicht unbedingt die Perfektion, die uns bei Gelegenheit überzeugt, sondern der Moment der Wahrhaftigkeit, der überzeugenden Darstellung.
Spätestens seit der Renaissance wird die Zeichnung als ideales Medium der Imagination gewürdigt. Abstraktion und Reduktion von visuellen Informationen auf die bloße Kontur ist schon für sich allein eine bedeutende intellektuelle Leistung, doch bei einem zeichnerischen Prozess kommt noch hinzu, dass nur der Anfang feststeht, das Ende ist völlig ungewiss. Ein scheinbar feststehendes Erscheinungsbild kann Metamorphosen und Transformationen erfahren – an Stelle der Wirklichkeit kann die Gedanken-und Vorstellungswelt treten.
Wie Sehgewohnheiten außer Kraft gesetzt werden können ohne die Tatsachen zu leugnen, zeigt die Künstlerin Tina Flau meisterhaft in der aktuellen Ausstellung ihrer Handzeichnungen und Arbeiten in der schwierigen Technik des Kaltnadeltiefdruckes. Nicht alles glauben zu wollen, was sichtbar ist und gleichermaßen das Unglaubliche wahrhaftig zu machen. Sie entdeckt das Wundersame, das Absonderliche auch im Alltäglichen. Auf ausgewähltem, oft sogar handgeschöpftem Papier präsentiert sie in kleinen Serien ihre unaufgeregte Bildwelt, mit suggestiven Titeln wie „Der Traum vom Fliegen“, „Pflanzenspiegel“ oder „Blickwechsel“. Trotz der Ruhe in den Arbeiten oder vielleicht gerade wegen ihr, kann man sich der Eindringlichkeit und Tiefe ihrer Botschaften nicht entziehen.
Ich konnte es nicht und freue mich sehr, dass Tina Flau unsere Einladung ohne Zögern angenommen hat.
Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
Lieselotte Rojas Sanoja
Das Zeichen und die Zeichnung sind für mich gedanklich verbunden.
Zeichen gehören zu unserer Welt, zur Welterklärung und Weltdeutung. Die Handzeichnung als primäre Technik ist mit unserem Denken und Handeln direkt verbunden. Die künstlerische Zeichnung entwickelt ein bildhaftes Zeichensystem und hat einen kommunikativen Charakter. Hierbei ist das Zeichnen nach fotografischen Vorlagen bzw. das Zeichnen nach der Natur von dem freien Zeichnen eigener Themen zu unterscheiden. Letzteres ermöglicht Ebenen der Wahrnehmung, die zu einer energetischen Verdichtung führen können, die den Blick auf die Welt neu definiert. Bei der Handzeichnung ist das künstlerische Anliegen unverstellt. Schwarz-weiß-Zeichnungen sind eine eigene Welt, Farbzeichnungen kommen unserer Lebenswelt näher; spannend ist es, beide Ebenen in einem Blatt zu verbinden.
Eine Konzentration in der Zeichnung ist der Kaltnadeltiefdruck. Hier wird direkt in die Platte gezeichnet. Diese künstlerisch genutzte Drucktechnik erfordert viel Wissen und Erfahrung.
Unabhängig von allen Modeerscheinungen in der Kunst sind die grafischen Techniken Bestandteil unserer Kultur, unserer Zeichenfindung – auf einer expandierenden Erde in einem inflationär expandierenden Kosmos.
Tina Flau