28. September bis 15. November 2013
Im Skulpturengarten Werke von
Jutta Albert, Paul Böckelmann, Marion Hempel, Uwe Hempel,
E.R.N.A., Konstanze Feindt Eißner, Ines Hoferick, Miguel Sanoja
Es sind kaum 70 km, die Altenau von Dresden trennen, eine knappe Stunde Autofahrt durch eine ruhige, hügelige Landschaft. In diesem Ortsteil von Mühlberg an der Elbe haben sich Paul und Elke Böckelmann ein Domizil geschaffen, das in einzigartiger Weise Kunst und Leben miteinander verknüpft. Mir kommt stets ein spanischer Ausdruck in den Sinn, der die Atmosphäre dieses Anwesens perfekt wiedergibt. „Es el lugar donde quiero estar“. Das ist der Ort wo ich sein möchte.
Vor einigen Wochen war eine Arbeitsbesprechung in Altenau angesetzt um die Teilnahme an einer großen Messe im März 2014 durchzuplanen, mit den 4 dazu eingeladenen Künstlern. Es wurde ein unvergesslicher Abend. In kürzester Zeit waren alle wichtigen Punkte dieses umfangreichen Projektes geregelt und jeder unterschiedliche Standpunkt auf harmonische Weise ausdiskutiert. Wir hatten Zeit zum Plaudern und Fachsimpeln in einer schönen Sommernacht. Es war in der Tat nicht nur der Ort, an dem ich mich befand, sondern an dem ich auch sein wollte.
Paul und Elke, die mit E.R.N.A. firmiert, präsentierten zwei komplett neue Serien von Arbeiten, die, wie alles was diese beiden Künstler schaffen, gut durchdacht und technisch einwandfrei ausgeführt sind. Die Wahl des Papiers als Medium ist der einzige gemeinsame Nenner in beiden Arbeiten. Pauls Serie von Monotypien und Acrylmalereien mit dem schlichten Titel „Köpfe“ ist eine gelungene Verschmelzung von Zeichnung und Malerei in überraschend kräftigen Farbnuancen. In flüssiger, spontaner Linienführung erscheinen Köpfe von Wesen, deren Intensität des Blickes – ohne spezifisch narrativen Charakter – mich besonders in den Bann schlägt. Der Untertitel „Einsicht durch Ansicht“ lässt an die Aussage „L’existence précède l’essence“ von Jean Paul Satre denken. In seiner berühmten „Analyse des Blicks“ weist der Philosoph auf die Bedeutung der Anderen für das eigene Selbst hin. Der Mensch kann sich selbst nur indirekt über einen Spiegel oder in den Augen und Reaktionen seiner Mitmenschen sehen. Die Existenz – dass man ist – geht der Essenz – das, was man ist – voraus. Einzig sein nacktes Dasein ist dem Menschen vorgegeben; was ihn am Ende ausmacht, muss er erfinden. Um irgendeine Wahrheit über sich zu erfahren, um sich immer wieder mit den alten, menschlichen Grundfragen auseinanderzusetzen, muss er sich im Anderen „sehen“. Diese Aufforderung scheint mir die Substanz der Arbeiten von Paul Böckelmann zu sein. Kunst wird zum Katalysator individueller Interpretation und Sinngebung.
Im Atelier E.R.N.A.s scheint mir als hätten sich alle Schleusen geöffnet, um einen Strom künstlerischer Ideen frei zu geben. Ihre Serie „Konsequent“ hat die Untertitel „Gestalten“ oder „Gesichtsfelder“ und ist ein Tanz von fast lebensgroßen Figuren in der Magie des Schwarz/Weiß Kontrastes. Von der Wirklichkeit unabhängig, fangen diese Tuschebilder die Essenz von Lebewesen ein. Um Eindrücken Gestalt zu geben, bedarf es eines äußerst sensiblen künstlerischen Ordnungssinnes. Durch Überlagerungen und Überschneidungen, durch dicht aufeinander gesetzte Flächen gewinnen diese Zeichnungen ein Bewegungsmoment, eine zeitliche Dimension. Die äußere und innere Welt verschmilzt zu einem Ganzen. Eine hochgradige Beherrschung des Materials, ein außerordentliches Feingefühl für den Ausdruckswert der Linie ist die absolute Voraussetzung. Dreidimensionalität wird eingefangen ohne die Zweidimensionalität in Frage zu stellen. Alles ist kraftvoll und gespannt, vermittelt aber dennoch den Eindruck extremer Ruhe.
Lieselotte Rojas Sanoja
Statement: Einsicht durch Ansicht.
Zu den Monotypien:
Da erst einmal die Schwelle „Man sieht was man denkt“ zu überwinden ist, findet in den Monotypien die Formung des Kopfes, das erinnerte Antlitz erst auf den zweiten Blick seine konkrete Individualität. Scheinbar dem Ab- und Widerbild entronnen, bildet sich aus den farbigen Schlieren und strukturierten Flächen doch wieder ein menschliches, wenn auch zeichenhaftes Bild. Es ist als hätten Zeit und Ereignisse die Oberfläche geschliffen, gehäutet und das Innerste ans Licht gezerrt. Die Farbe transkribiert Gefühle, räumliche Wirklichkeit findet in die Fläche übersetzte Entsprechung.
Zu den Acrylmalereien:
Wo in den Monotypien die offenen Farbflächen das Papier mitsprechen lassen, da schließt in diesen Arbeiten die Malhaut den Bildträger von der Gestaltung aus. Durch die die Verwendung verschiedener durch Acrylat gebundener Aschen und den damit durchmischten Acrylfarben entsteht eine matte Farbigkeit, die das Licht nur stumpf reflektiert. Der Bildraum verschwimmt, selbst bei grellster Farbigkeit bleibt er in sich verschlossen.
Beiden Werkgruppen ist gemein, dass sich die Bildideen, die Inhalte durch zeichnerische Kürzel formulieren.
Statement: Gestalten
Immer wieder umgeben mich Figuren, die ich phantasiert, erfunden, gezeichnet habe. Sie bilden oft Menschen aus meiner Umgebung, meiner Welt ab. Es ist ein Tanz der Figuren, sie entstehen in einem Prozess, der spontan wie auch kontrolliert ist.
Sie wachsen mir auf dem Papier entgegen. Ich bin dabei Geburtshelfer und Entdeckerin zugleich. Die so entstandenen Wesen zeigen sich als Individuum in ihren Eigenschaften und Äußerlichkeiten.
Das schmale hohe, fast lebensgroße Format begrenzt sich auf die Figur, lässt nur Spuren in ihrer Umgebung zu, es entsteht der Raum ihrer Aura, die sie einzigartig macht.
Ich bin Zeichnerin, mich interessiert die Magie des Schwarz-Weiß-Kontrastes. Durch die Linie, die naturgegeben keine Dimension auf dem Papier hat, ihre Wandlung in Strukturen, gebündelte Linien, Gewischtes und Gewaschenes, entstehen auch Grauwerte. Die Korrespondenz des Schwarzen, dem Grauen, dem Weiß, mit dem Nichts, bildet den Raum, formt die Körper.
Ich lasse es zu, das Angebot des Zufalls nutzend, wenn die Tusche fließt, dass eine Gestalt entsteht und ich sie dann durch gezieltes Arbeiten auf dem Papier forme.
So erwerben sie sich ihre Namen. Es sind die Mütterliche, die Stimmhafte, die Stabile, die Beständige, die Egozentrische, die Schwebende, die Tänzerische, die Haftende und dergleichen mehr.